top of page

Perspektivwechsel der Generationen

Aktualisiert: 15. Okt. 2021

Was Janina Kugel, Katrin Göring-Eckardt und Claus Kleber über Millennials im Job denken


Wenn ich mich mit meinen Gästen im Lehrjahre-Podcast treffe, interessiert mich vor allem eins: Wie ist oder war ihr Leben mit Mitte 20? Die Ex-Siemens-Vorständin Janina Kugel saß morgens um 8 Uhr in der Bib, wusste aber nicht, was ein Unternehmensvorstand eigentlich macht. Der Journalist Claus Kleber hat jede freie Minute beim Segeln verbracht und war zwischen Jura und Journalismus hin und hergerissen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte schon zwei Kids, arbeitete im Landtag und dachte, dass beruflich jetzt nicht mehr so richtig viel käme.


Was mich aber auch interessiert, ist wie meine älteren Gäste heute auf meine Generation blicken. Was sie für Unterschiede sehen zwischen ihren Lehrjahren vor 20 oder 30 Jahren und denen von uns heute. Diese 5 Beobachtungen sind bei mir besonders hängen geblieben.


1. Entscheidungen: Heute gibt es mehr Möglichkeiten, die zu mehr Karrierredruck führen 🙄


Auslandssemester in Massachusetts, Master an der London School of Economics, dazwischen ein Hilfseinsatz bei “Ärzte ohne Grenzen” in Sierra Leone. Solche Lebensläufe findet Claus Kleber, 64, auf seinem Schreibtisch. Er sagt: “Da erschaudere ich vor Respekt. Ich möchte mit keinem von denen konkurrieren. Heute würde ich auf keinen Fall mehr genommen werden.” Er glaubt aber auch, dass diese Hochglanz-Lebensläufe die Unbefangenheit nehmen. Seine Theorie: Jemand der das alles gemacht hat, will dann auch den Weg nach ganz oben vor sich sehen. Das erzeugt Druck – nach dem Motto: Wenn ich jetzt den falschen Einstieg wähle, dann verbaue ich mir etwas, das mir eigentlich schon garantiert wäre. Claus Kleber beschreibt seine 20er als eine Zeit, in der “die Möglichkeiten endlos waren und die Verpflichtungen minimal”. Das, so glaubt er, fühlt sich heute für viele anders an. Und das ist eigentlich ironisch: Eine bessere Ausbildung, mehr Voraussetzungen, größere Chancen führen zu mehr Druck. Sollte das nicht eigentlich andersrum sein?


2. Fokus: Die Ablenkung ist größer, vor allem durch Social Media 📲


“Heute musst du dich viel mehr fokussieren. Du musst dich ständig entscheiden, 50 Sachen nicht zu machen, um dich auf das eine zu konzentrieren, was du machen willst”. Das fällt Fotografin Loredana Nemes, 47, auf, die auch an Kunsthochschulen lehrt. Einfach mal nachdenklich zur Uni spazieren gibt es heute nicht mehr. Hinzu kommt der Druck, nicht nur im realen Berufsleben zu performen, sondern auch auf Social Media. Für Loredana eine absolute Horror-Vorstellung: Sich nicht nur darüber Gedanken machen zu müssen, wie Galeristen, Kuratoren oder Ausstellungsbesucher die eigenen Bilder finden, sondern auch noch die Follower auf Social Media.


3. Work-Life-Balance: Ältere und jüngere Generationen wollen eigentlich das Gleiche. ✌️


Nur die Jungen trauen sich viel eher die Wünsche auszusprechen und einzufordern

Das hat Janina Kugel, 50, ehemalige Personalvorständin von Siemens, festgestellt. Sie hat beobachtet, dass die Rufe nach mehr Work-Life-Balance oder mehr Sinnhaftigkeit im Job nicht die Wünsche ausschließlich einer einzelnen Generation sind. Sie glaubt nur, dass Millennials viel selbstverständlicher sagen, was sie wollen. Janina Kugel hätte sich mit 25 oft nicht getraut, Wünsche zu formulieren, die heute von Kolleginnen und Kollegen in diesem Alter an sie herangetragen werden. Nachvollziehen kann sie sie trotzdem.


4. Privileg: Es gibt nicht die Millennials 🤗


Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, 53, stellt fest: Sich diese Fragen nach Work-Life-Balance, Sinn im Job und strategischer Karriereplanung stellen zu können, ist auch ein Privileg. Nicht alle Millennials können sich so frei mit so vielen Möglichkeiten beschäftigen. Die, die die Wahlfreiheit haben, haben auch die Verantwortung was draus zu machen. Wenn sie an den Alltag in ihrem Büro denkt, ist ihr Erfolgsrezept für die Zusammenarbeit mit jungen Kolleginnen und Kollegen: Klare Ansagen, wo es hingehen soll, aber gleichzeitig große Freiheit in der Umsetzung. Nach dem Motto: Say what, ask how.


5. Ausbildung: Lernen funktioniert heute anders – nicht mehr nur Top-Down und vor allem nicht mehr nur in einer Phase des Lebens 🤓


In seiner Ausbildung hat Claus Kleber vor allem von den Älteren gelernt. Die haben einem gesagt, wie es geht. Heute ist der Redaktionsalltag anders. Lernen funktioniert in beide Richtungen. Gerade lernt er vor allem von den jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Lehrjahre sind heute also eigentlich alle Jahre. Außerdem waren früher Berufslaufbahnen vorhersehbarer, heute ändern sich Jobprofile viel schneller. Ex-Personalvorständin Janina Kugel sagt, dass wir deshalb vor allem mehr Flexibilität im Kopf brauchen. Die Ausbildung oder der erste Job bedeuten heutzutage nicht mehr, dass man in genau diesem Beruf den Rest des Lebens arbeiten wird. Das heißt auch, dass wir immer wieder in neuen Lehrjahren sein werden – in neuen Jobs, in neuen Umfeldern mit neuen Aufgaben und mit neuen Kolleginnen und Kollegen.


Aber: Fragen, Suchen, Unsicherheit zum Berufseinstieg sind keine Generationenfrage

Auch wenn sich einige Sachen geändert haben, ist in den Podcast-Gesprächen klar geworden: Ganz viel ist heute auch genauso wie früher. Es ist keine Generationenfrage, sondern eine Alters- oder Typfrage, wie nervös man am ersten Arbeitstag ist. Wie sehr man hinterfragt, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Wie leicht oder schwer einem Karriere-Entscheidungen fallen.


Der Perspektivwechsel – raus aus der eigenen Peer-Group, rein in den ungewohnten Blick der anderen Generationen – kann die eigenen Eindrücke sortieren, relativieren, bestätigen. Und er zeigt vor allem, dass alle die großen Herausforderungen, die aufregenden Zeiten und die vielen Fragen in den ersten Jahren im Job gut kennen. Egal wie alt oder erfolgreich sie heute sind.




3 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page